SIMPLE-QUALITY
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Quality - Keep it simple...!!

ein Fall und einige Fragen

Beitrag 19.04.2009, 11:39 Uhr
ist53
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"Der Fall":

Ein weltweit tätiges Unternehmen mit einigen Standorten für bestimmte Produktgruppen prüft ernsthaft die Option einen Standort (in Europa) stillzulegen und die Produktion (mit den Maschinen) zum anderen europäischen Standort (in einem anderen Land) zu verlegen. Die meisten Produkte sind für die langjährigen Automotive-Kunden. Beide Standorte sind TS16949 zertifiziert. Der "stillzulegende" Standort liefert an zahlreichen Kunden, der andere nicht.

Fragen:
- muss der Standort, der deswegen stark erweitert wird, viele neue Maschinen erhält und neue Produkte für neue Kunden herstellen muss, nochmals zertifiziert (TS16949) werden?
- Sind eigentlich die "kundenbezogene Anforderungen" und "unterschriebene Vereinbarungen" stark "standortbezogen"?
- alle Kunden müssen ja diesbezüglich "informiert werden", das ist klar. Müssen für alle Produkte nochmals PPAP, Erstmuster etc. erstellt werden?
- Würden (dürfen) die Kunden die deswegen entstandenen Kosten (beim Kunden) vom Lieferanten verlangen?
- Würden Kunden in einem solchen Fall die Durchführung eines "ausserordentlichen" Lieferantenaudites verlangen (sogar auch dass der Lieferant diese Kosten übernimmt)?
- Kann der Kunde darauf bestehen, dass die Produktion erst nach einer bestimmten Zeit verlegt werden darf?
- Gibt es sonstige Punkte, die aus der Sicht von QM, TS16949 und Erfahrungen nennnenswert sind ?

Ich habe schon meine "Antworten" und eigene Meinung, würde aber gerne erfahren, was Ihr zu diesem Thema beitragen würdet.

Herzlichen Dank für Eure Antworten.
gruss, hb
   
Beitrag 19.04.2009, 17:50 Uhr
SQ-MichaelS
SQ-MichaelS
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Auch wenn ich nicht direkt auf die Fragen eingehe: ein trauriger Fall, denn er bedeutet den schleichenden Tod für das Unternehmen. Was sich betriebswirtschaftlich zu rechnen scheint, kann, wenn man darauf nicht achtet, die wahre Basis eines Unternehmens ruinieren.

Welche meine ich?

All das, was man nicht in Euros messen kann, ohne das es aber nicht geht: Einsatzbereitschaft der Mitarbeiter, auch die der leitenden Angestellten, Vertrauen der Kunden in das Unternehmen am bisherigen Standort, gewachsene Beziehungen, sprudelnde Ideen der Belegschaft, Kunden und Zulieferer usw. Auch funktionierende und nutzende QM-Systeme gehören dazu.

Kann man die schadlos mit verlagern oder hinwegsparen? - Die TS-spezifischen Fragen zeigen genau diese Effekte, das Ruinieren des immateriellen Unternehmensvermögens, im Anfangsstadium auf.

Man hört es immer wieder, die betriebswirtschaftlich genialen Fälle, nach Osteuropa oder China zu verlagern, erweisen sich sehr schnell als heftige Bumerangs.

Es gibt Anlässe für die Verlagerungspläne und es gibt sicher bessere Lösungen als das phantasielose "Schönrechnen" und "Gesundsparen". Sie sind unternehmensspezifisch, garnicht einmal schwer zu finden, aber sie kosten eins: konsequentes Erkunden der bisher noch nie in Betracht bezogenen Möglichkeiten.

Soweit meine Beobachtungen.

Mit freundlichem Gruss,
Michael Schlüter
   
Beitrag 20.04.2009, 10:32 Uhr
RZipperer
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Hallo Michael,

wir sollten den Produktionsprozess und das QM - System nicht zu stark vermischen.

Eine Neuzertifizierung nach TS16949 bei einer internen Rückverlagerung von Maschinen, Anlagen und Prozesschritten ist unnötig, da sich an dem gesamt abgenommenen Qualitätsmanagementsystem, den Verantwortlichkeiten und Berichtswegen und den internen Abläufen vermutlich nichts ändert.

Jedoch müssen die verlagerten Prozesse vor Serienstart im neuen Werk kundenseitig angezeigt und abgenommen werden.

Dem Boomerang der schnellen Verlagerung ins östliche Ausland stimme ich voll zu, sofern dort nicht ausschliesslich der Auslandsmarkt beliefert werden soll. Die Logistikkosten zurück nach Deutschland sind enorm, die Lieferzeiten ebenfalls und eine Notfallplanung lässt sich dann allenfalls sporadisch aufbauen.

Freundliche Grüße
Rainer Zipperer
   
Beitrag 20.04.2009, 11:16 Uhr
ist53
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Liebe Kolleginnen,
Liebe Kollegen,

Ich erwarte sehr gerne KONKRETE Antworten auf meine Fragen zur sehr klar dargestellten Situation.

Vielen Dank.
hb
   
Beitrag 20.04.2009, 12:33 Uhr
RZipperer
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KONKRET :

- muss der Standort, der deswegen stark erweitert wird, viele neue Maschinen erhält und neue Produkte für neue Kunden herstellen muss, nochmals zertifiziert (TS16949) werden? NEIN, es sei denn die Abläufe des Qualitsmanagementsystem werden grundlegend geändert

- Sind eigentlich die "kundenbezogene Anforderungen" und "unterschriebene Vereinbarungen" stark "standortbezogen"? JA, der Kunde muss wissen, wo was von wem produziert wird. Das ist auch vertraglich so geregelt. Standortbezogen mag auch Produktionsnähe zum Kundenwerk bedeuten.

- alle Kunden müssen ja diesbezüglich "informiert werden", das ist klar. Müssen für alle Produkte nochmals PPAP, Erstmuster etc. erstellt werden? Klares JA

- Würden (dürfen) die Kunden die deswegen entstandenen Kosten (beim Kunden) vom Lieferanten verlangen? JA, meines Wissens schon

- Würden Kunden in einem solchen Fall die Durchführung eines "ausserordentlichen" Lieferantenaudites verlangen (sogar auch dass der Lieferant diese Kosten übernimmt)? Kostenübernahmen sind mir nicht bekannt, Lieferantenaudits dahingehend schon

- Kann der Kunde darauf bestehen, dass die Produktion erst nach einer bestimmten Zeit verlegt werden darf? JA, beispielsweise nach Projektende und / oder nach SOP, dies sollte aber in Abstimmung mit dem Hersteller erfolgen


War das konkret genug, oder fehlt jetzt die Detailltiefe ?

Gruß
RZ
   
Beitrag 20.04.2009, 19:11 Uhr
ist53
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Vielen Dank, Rainer.
Das war's.
Gruss, hb
   
Beitrag 24.04.2009, 08:19 Uhr
SQ-QMC
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Hallo,

hab in letzter Zeit öfters solche Verlagerungen mitgemacht, hier meine Erfahrungen zu den Fragen:

-Neuzertifizierung: Nein.
-Kundenbezogene Forderungen: Je nach dem. Wir sind ein Konzern und haben gewisse Vereinbarungen auf Konzernebene, andere auf Standortebene. Wenn es die gleiche Legal Entity ist dann muss nichts Neues gemacht werden.
-Informationspflicht an Kunden: Ja!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! Hier die Erfahrung: Je früher und je besser wir die Kunden einbezogen haben umso besser hat es geklappt. Der Kunde sollte verstehen warum die Verlagerung notwendig ist und wie die Verlagerung abgesichert wird. Haben uns immer eine blutige Nase geholt wenn wir den Kunden kurz vor Verlagerung vor vollendete Tatsachen gesetzt haben.
- Nochmalige Bemusterung: Theoretisch erst mal ja. Ist aber mit den jeweiligen Kunden zu verhandeln. Wir haben es meist über Produktfamilien abgehandelt da die Bemusterung beim Kunden auch wieder Kapa belegt.
- Kosten für Audit und für Bemusterung: Wieder Verhandlungssache. Zuerst heben aber alle mal die Hand auf.
- Zeitpunkt der Verlagerung: Schwierig. Man hat mit dem Kunden einen Liefervertrag für ein freigegebenes Produkt. Er kann auf die Erfüllung dieses Vertrages bestehen und damit auch auf die Belieferung mit Produkten aus dem alten Standort. Wir haben es entweder so gemacht dass wir so rechtzeitig dran waren dass der Kunde die neue Produktion freigeben konnte oder dementsprechend Lagerbestand aus dem alten Standort aufgebaut.

Hoffe die Infos helfen weiter.

Gruß
   
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