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Interne Maschinenabnahme Reklamationsprozess

Beitrag 18.10.2021, 10:21 Uhr
Holywood01
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Hallo Leute,

Ich arbeite seit 4 Jahren in einem traditionellen erfolgreichen Familienunternehmen als Produktionsmeister.
Unser Umsatz steigt jährlich in so großen Schritten wo die Organisation nicht mehr mit kommt bzw. durch alte Denkweisen sich nicht entwickeln darf. Keine ISO… sad.gif

Wir sind ein Maschinenbauunternehmen mit einer überschaubaren Portfolio jedoch mit einer extremen Variantenvielfalt.

Die letzten 20 Jahre wurde es so gelebt dass nach Der Produktion die einzelnen Maschine von der QS „abgenommen“ werden. Mittels Checkliste und willkürlicher subjektiver Wahrnehmung. Diese darauf resultierende Reklaliste wurde dem Meister geschickt und dieser bearbeitet die Liste und läuft durch sämtlichen Abteilungen usw.. Nach dem Motto: friss oder stirb.

Mein Vorarbeiter und ich haben jetzt angefangen sich dieser Sache zu widmen da wir 2 uns rund 150std im Jahr beschäftigen Reklamationspunkte zu verteilen & nachzulaufen. Haben excel vba basierend eine halbwegs automatisierte Reklaliste mit mailverteilung erstellt. Wo sofort eine zuständige Abteilung von der als pro Reklapunkt definiert werden muss… etc. Wirklich toll.

Jetzt haben wir folgendes Problem: der neue Qualitätsleiter hat keine QM Ausbildung, die 2 Maschinenabnehmer ebenfalls nicht -> seit 20 Jahren machen wir das so… und etwas neues brauchen wir nicht, wir sind nicht dafür zuständig, die Meister müssen alles abklären etc..

Ich bin der Meinung das die Qualitätsabteilung dafür zuständig ist Mängel, Potenziale aufzuzeigen und mit den Verantwortlichen/ Verursacher Abteilungen diese abstellt.
Sehe ich das richtig?
Mein Zugang ist dies zu belegen. Auch wenn keine Norm bei uns gültig ist jedoch will ich alles belegen können.
Würde mich über eure Hilfestellungen freuen.

Hoffe ich habe dieses für mich heikle Thema emotionslos beschrieben smile.gif

Danke

Beste Grüße
Rene
   
Beitrag 18.10.2021, 13:26 Uhr
Sonntag
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Guten Tag Rene,

willkommen im Forum und mein Respekt, dass Sie sich als Produktionsmeister in die "Höhle des Löwen" (haufenweise "Qualitäter" und Auditoren) trauen.
Aufgrund Ihrer Beschreibung sehe ich ein differenzierteres Problem als die Klärung der Frage,
wofür die Qualitätsabteilung und die Fertigung zuständig ist.
Möglicherwiese führt die Beantwortung folgender Fragen weiter zur wahren Fehlerursache:
Welche Mängel werden in den 150 Stunden/Jahr beseitigt?
Was sind die Ursachen der festgestellten Fehler an den Maschinen?
Neben der Beseitigung der Fehler (z.B. fehlendes CE Zeichen anbringen):
Findet eine Ursachenanalyse statt und werden systematisch nachhaltige Korrekturmaßnahmen (Fehlerursachenbeseitigung wie z.B. Arbeitsplan/Stückliste aktualisieren/Lenkung der Dokumente verbessern) festgelegt und umgesetzt?

Sobald Ihnen und Ihren Kollegen klar wird, was die (wahren) Fehlerursachen sind und wo die Korrekturmaßnahmen anzusetzen sind, könnten Sie an der Erstellung/Aktualisierung der wichtigsten Prozessbeschreibungen mitwirken.
Es sollten zur Fehlerprävention zumindest die folgenden Prozesse (idealerweise als Turtle)
mit den Schnittstellen eindeutig erstellt und aktuell sein:
- Prozess Kundenanfrage, Angebot und Beauftragung (Prozesseigner z.B. Vertrieb)
- Prozess (Varianten-)Konstruktion (Prozesseigner z.B. Konstruktionsabteilung)
- Prozess Fertigungsprozess- und Qualitätsplanung (Prozesseigner z.B. Arbeitsvorbereitung)
- Prozess Fertigung und fertigungsbegleitende Selbstprüfung (Prozesseigner z.B. Fertigung)
- Prozess Endprüfung und Erstellung der gesetzlich geforderten/mit Kunden vereinbarten/intern festgelegten Unterlagen/Dokumente/Entlastungsnachweise (Prozesseigner z.B. Qualitätsmanagement/QM-Beauftragter/Produkthaftungsbeauftragter)
Wenn Sie mit Ihrer GF und Ihren Kollegen die o.g. Punkte abgearbeitet haben, haben Sie den halben Weg zur Erstellung eines QM Systems nach ISO 9001 beschritten.

Möglicherweise können Sie mit Ihren Kollegen Ihre GF davon überzeugen, dass ein zertifiziertes QM System mehr sein kann ist als eine lästige und teure Verwaltungsaufgabe.
Wie hoch wird das Risiko gesehen, dass eine Einzelanfertigung Aufgrund der Variantenvielfalt nicht allen CE Vorgaben/Kundenvorgaben erfüllt und ein Personenschaden/Vermögensschaden verursachen kann?
Was sagt die Haftpflichtversicherung zum versicherten Risiko, welches ein nicht zertifiziertes Unternehmen darstellen kann?
Und ist es der Geschäftsführung bewusst, dass bei Obliegenheitsverletzungen (z.B. Organisationsversagen) sich die Versicherung von der Zahlungsverpflichtung befreien kann?
Es tut mir Leid, wenn Sie nun Antworten zu Fragen bekommen, die Sie so nicht gestellt haben.

Ihr Hinweis, dass Ihre GF möglicherweise unzureichend qualifiziertes Personal einstellt, stellt m.E. ein weiteres Problem dar, was in Richtung Organisationsversagen (s.o.) gehen kann..

Fazit:
Ihre Sorgen sind sicher berechtigt; für die nachhaltigen Lösungen müsste nach meine Meinung tiefer gegraben werden.
Sollte zur Weiterentwicklung Ihres Unternehmens Fachwissen fehlen, lohnt sich ggf. die Beauftragung eines erfahrenen Experten mit Referenzen (vor allem KMU und Kleinserienfertigung), Dafür ist allerdings die Unterstützung und Rückendeckung Ihrer GF unabdingbar.

Viel Erfolg!


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Mit freundlichen Grüßen
aus dem Naheland
Sonntag
   
Beitrag 18.10.2021, 19:09 Uhr
Holywood01
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Hallo Sonntag,

Danke für die ausführliche Rückmeldung.
Ich probiere nun alles zu ordnen wink.gif

Schließlich geht es mir um den Kunden, weiteres will ich die Zusammenarbeit innerhalb der Organisation verbessern.
Wir haben weder ein Prozessmanagement noch ein qm System.

Diese 150std sind rein das rumlaufen (ja ich mache 12k Schritte in der Arbeit) von Abteilung a zu b um abzuklären über weitere Vorgehensweisen, Sonderfreigaben.
Welche Mängel treten auf: konstruktive, Auftragsunklarheit (maschinenkonfiguration)
Wareneingangskontrollthemen (oberflächengüte von Zukaufsartikeln)
Kommissionsfehler
Produktionsfehler (falsche Einstellung vorgenommen, Typenschilddaten falsch graviert etc..)
Ursachenanalyse wird sehr selten gemacht, da es nicht erwünscht ist aufzuzeigen - man fühlt sich trotz objektiver Beurteilung auf den Schlips getreten. Sollte dies doch gehört werden, haben wird mangels Ressourcen / Kapazität nichts unternommen. Keine Fehlerkultur..

Mein Vorarbeiter und meiner einer sind die einzigen die das Thema als wichtig erachten. Da wir von der Produktion die Maschinen fertig haben wollen, die Produktion hat einen Termin. Alle anderen im Unternehmen sind da eher tiefenentspannt tounge.gif

Das Thema CE Konformitätserklärung ist ein Mysterium für mich. Da muss ich mich erst einarbeiten.

Wie ich zu unserer Haftpflicht komme wird auch spannend.

Danke für deinen Input.

Über jegliche Hilfestellung bin ich dankbar
   
Beitrag 19.10.2021, 09:35 Uhr
Sonntag
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Guten Tag Holywood01,

wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrem Vorgaben.
Einen Hinweis möchte ich noch geben:
sobald Ihr GF von Ihnen eine Unterschrift für die Übernahme von Arbeitgeberpflichten haben möchte, sollten Sie vorher den Rat eines Rechtsanwaltes mit Fachbereich Arbeitsrecht einholen.
Mit hoher Wahrscheinlichkeit gib es bei Ihrem Unternehmen auch keine D&O (Directors & Officers Liability Insurance) Versicherung, die Führungskräfte bei Schadenersatzforderungen schützen könnte.
Auch beim Thema CE Konformität sollten Sie sich beraten lassen. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb Sie als Produktionsmeister die Verantwortung für Abweichungen (z.B. Konstruktionsmängel) übernehmen sollen.
Drastisch formuliert; es schon ein Unterschied, ob Sie als Beschuldigter oder als Zeuge im Strafprozess auftreten.


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Mit freundlichen Grüßen
aus dem Naheland
Sonntag
   
Beitrag 19.10.2021, 15:09 Uhr
Sonntag
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Aktualisierung zum obigen Beitrag:
statt "Übernahme von Arbeitgeberpflichten" bitte
"Übertragung von Unternehmerpflichten" nach §13 Arbeitsschutzgesetz lesen.


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Mit freundlichen Grüßen
aus dem Naheland
Sonntag
   
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