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MSA Verfahren 3 diskrete Merkmale

Beitrag 16.07.2021, 10:52 Uhr
tkauert
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Moin zusammen,

ich befasse mich derzeit mit der MSA von einer Kameraanlage und komme dabei nicht weiter, da ich nur diskrete und keine stetigen Merkmale messe. Bedienereinfluss ist nicht vorhanden, da das Kamerasystem vollständig automatisiert ist.

Nehmen wir mal an ich habe eine Stahlplatte, in welcher 100 Schrauben verbaut werden müssen. Die Kamera prüft, ob die Schraube vorhanden ist, oder nicht, daraus resultiert pro Schraube iO/niO. (Es geht nur um das diskrete Merkmal vorhanden ja/nein, nicht das Drehmoment) Dabei kann es natürlich vorkommen, dass die Kamera eine vorhandene Schraube als fehlend, oder eine fehlende als vorhanden erkennt. Das ganze sollte, da ja pro Einheit mehrere Fehler jeweils diskret sind, eine Poisson-Verteilung sein.

Wie kann ich in diesem Fall die MSA korrekt durchführen und die Fähigkeit nachweisen? Ist Verfahren 1 überhaupt anwendbar? Und ich kann zu Verfahren 3 keinen sinnvollen Ablauf im Zusammenhang mit nur diskreten Merkmalen finden

Nach Verfahren 1 würde ich nun 30 Messungen an einer Stahlplatte durchführen, wo bekannt ist, dass alle Schrauben vorhanden sind. Dann kann ich daraus die Genauigkeit und Wiederholpräzision auswerten.

Bei Verfahren 3 bin ich mir nun unsicher, ich bräuchte mMn 10 Stahplatten mit zufälligen Merkmalen (also zB 95 Schrauben verbaut, 5 nicht) und müsste die 10 jeweils zwei Mal messen und abgleichen, ob alles richtig erkannt wurde.
Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass es da eine Streuung gibt, per Definition habe ich die bei iO/niO ja auch eher nicht?

Über Tipps und gerne auch Literatur-Empfehlungen bin ich sehr dankbar.

VG Tristan
   
Beitrag 16.07.2021, 18:03 Uhr
SQ-AnJo
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Hallo Tristan,

ich bin zwar kein Experte zu Kamerasystemen, aber so wie ich das Problem verstehe, glaube ich, dass MSA Type 3 dir hier nicht weiterhelfen wird.

Deine Kamera ermittelt nur, ob die Schrauben nach der Montage vorhanden sind, also eine Sichtprüfung die vorher von einem Werker durchgeführt wurde.

Wenn Du bereits bei MSA Type 3 angekommen bist, muss MSA Type 1 (Cg / Cgk) und davor die Auflösung ermittelt worden sein. Und genau hier tue ich mir schwer.

Die Auflösung eines digitalen Messschiebers beträgt 0,001 mm. Um mit diesem Messmittel die Forderung (Auflösung <= 5%) erreichen zu können, darf das Messmittel nicht für Toleranzen < 0,02 mm verwendet werden.
Welche Auflösung und Toleranz gibt es jetzt in deinem Fall???

Deswegen glaube ich, dass Du dich eher auf die attibutive MSA nach Cohens Kappa konzentrieren solltest, wie man es bei Sichtprüfungen durchführt, da dein Messsystem nur iO/niO ermittelt.

Sollte deine Kamera die Einschraubtiefe ermitteln, dann wäre MSA Type 1 + 3 die richtige Wahl.

Gruß

Andreas
   
Beitrag 18.07.2021, 14:06 Uhr
tkauert
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Moin Andreas,
vielen Dank für deine Antwort!

Ich war mir generell auch schon unsicher bezüglich Verfahren 1 oder 3, dies hast du jetzt ja noch einmal bestätigt.

Mein Problem ist, dass alles was ich in der Literatur bezüglich attributiven Merkmalen finde immer nur auf die Fähigkeit zwischen verschiedenen Prüfern bezüglich iO/niO abzielt. Mein Messmittel ist aber eine einzige Kamera bzw. ein Prüfer und voll automatisiert, das scheint meines Erachtens nach selten zu sein, hatte ich so aber nicht erwartet.

Kannst Du eventuell Literatur oder andere Quellen zur MSA von diskreten Merkmalen empfehlen? Bzw darauf aufbauen würde eine PFU, werde ich da auf ähnliche Probleme stoßen?

Cohens Kappa schaue ich mir mal näher an, vielen Dank für den Tipp schon einmal!

Gruß Tristan
   
Beitrag 19.07.2021, 05:56 Uhr
Qualiking
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Guten Morgen,

ich hatte dasselbe Problem, indem ich eine Auswertung (MSA) zu einem Kamera-System durchführen musste. Irgendwo gabs mal ne Passage (erinerre mich leider nur leicht) in dem es möglich war, das ganze attributive Auszuwerten. Obs Cohens oder Fleiss oder ne weitere Art war, weiß ich nicht mehr. Jedoch musste die Anzahl an Durchführungen/Testreihen erhöht werden. So wie ich mich erinerre pro Fehlerursache 6 Testreihen a 25 Stk. Dabei generierst du Dummi Beispiele, die evtl. an der Grenze der Kameraperskeptive arbeiten.

Heißt: Wenn deine Kamera nur gewisse Rahmen (PixelXPixel) abdeckt, versuchst du entweder Dummy Teile/Fehlerteile zu erzeugen, die hier als Fehlergebniss resultieren könnten, oder du erstellst deine eigene Versuchsreihe.

Hoffe das hilft dir. Bei mir hats mit der attributiven Auswertung funktioniert.

LG
   
Beitrag 19.07.2021, 09:49 Uhr
Sonntag
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Guten Tag tkauert,

bei attributiven Merkmalen wie bei der Kameraprüfung, ob 100 Schrauben montiert sind, fallen die statistischen Verfahren 1 bis 3 weg.
Gemäß "Eignungsnachweis von Messsystemen" von Dietrich, Schulze und Conrad (Hanser Verlag) werden laut MSA drei Verfahren vorgeschlagen:
1. Kappa- und Kreuztabellen Methode
2. Analytische Methode über Zahl der positiven Entscheide
3. Signalerkennung Bestimmung über Grauzonen

Die Autoren halten das Kappa-Verfahren und den Kennwert für "statistisch nicht fundiert" und die analytische Methode ist in der Praxis nur schwer realisierbar.

Die Empfehlung lautet Signalerkennung über direkte experimentelle Bestimmung.

Das Prinzip ist (bei Werkereinfluss) wie folgt beschrieben
1. 50 Werkstücke gezielt auswählen
2. 2 Prüfer führen mindestens 2 Prüfungen durch
3. Ergebnisse in einer Tabelle sortieren
4. Graubereiche ermitteln
5. Berechnung Schätzwert GRR und %GRR aus mittleren Graubereich

Die Beschreibung basiert auf ein attributives Messmittel mit Werkereinfluss und ist somit nicht direkt auf Ihr Kameraprüfsystem 1:1 übertragbar. Interessant sind die Aussagen der Autoren zum Kappa-Verfahren.


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Mit freundlichen Grüßen
aus dem Naheland
Sonntag
   
Beitrag 19.07.2021, 09:57 Uhr
tkauert
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Hallo Herr Sonntag,

vielen Dank für die ausführliche und hilfreiche Antwort.

Das klingt aber alles in allem so, als gäbe es für meinen Anwendungsfall keine statistisch vollkommen belegte Methode um eine "MSA" bzw Eignung der Kameraanlage nachweisen zu können, richtig?

Alles basiert immer auf mehreren Prüfern oder Werkereinfluss, wie Sie es bereits beschrieben haben. Dabei sollten Kameraanlagen im Serienprozess doch in Zukunft immer wichtiger werden und deren Funktion nachweisbar sein?

LG Tristan
QUOTE
Guten Tag tkauert,

bei attributiven Merkmalen wie bei der Kameraprüfung, ob 100 Schrauben montiert sind, fallen die statistischen Verfahren 1 bis 3 weg.

Die Empfehlung lautet Signalerkennung über direkte experimentelle Bestimmung.


Die Beschreibung basiert auf ein attributives Messmittel mit Werkereinfluss und ist somit nicht direkt auf Ihr Kameraprüfsystem 1:1 übertragbar. Interessant sind die Aussagen der Autoren zum Kappa-Verfahren.
   
Beitrag 19.07.2021, 21:58 Uhr
SQ-AnJo
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Hallo Tristan,

mir war leider nicht bewusst, dass Du ja nur einen Prüfer hast (das Messsystem selbst - also prüferunabhängig).

Wie von Hrn. Sonntag beschrieben verlangen alle Methoden min. 2 Prüfer. Eine Analyse für attributive Messsysteme die prüferunabhängig sind, wie es MSA Type 3 für variable Merkmale ist, gibt es leider nicht. Auch ich verwende die gleiche Literatur wie Hrn. Sonntag.

Deine Lösung wäre wie folgt:
1. Dieses Messsystem als Sonderfall anmerken: Somit benötigst Du keine MSA, wenn gemäß einer Norm gemessen wird (z.B. DIN, ISO, ASTM, …). Ein Beispiel wäre hier chemische Analysen (siehe auch hier AIAG PPAP Manual 4th Edition Anhang F). Bitte beachte, dass nicht alle Kunden hierzu ein gleiches Verständnis haben und es zu Diskussionen kommen kann.
2. Mit dem Kunden ins Gespräch gehen und eine praktikable Lösung abstimmen (z.B. könnte man mit einer zweiten vorhanden Kamera die gleichen Prüfobjekte untersuchen und die Auswertung nach der Kreuztabelle / Cohens Kappa ausführen).

Da ich die gleiche Literatur verwende wie Hr. Sonntag kann auch ich bestätigen, dass die Autoren nicht von den drei genannten Analysen überzeugt sind, jedoch ist Hr. Dietrich generell nicht von der Vorgehensweise der MSA AIAG angetan. Liegt auch daran, dass Hr. Dietrich auch sehr am VDA Band 5 mitgewirkt hat und somit auch zur ISO 22514-7 seinen Beitrag geleistet hat. Rein vom fachlichem glaube ich Hrn. Dietrich auch, nur leider konnte ich bis heute kein Unternehmen kennen lernen, dass die Prüfmittelfähigkeitsanalyse gemäß VDA Band 5 durchführt.
Und die Kunden bestehen immer wieder auf diese Vorgehensweisen, trotz zum Teil hitziger Diskussionen.

Gruß

Andreas
   
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